KI im Coaching – Vorteile & Mehrwert

Vorteile & Mehrwert

Grundlagen

Die Coaching-Branche befindet sich an der Schwelle zu einer beispiellosen Transformation: Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) im Coaching. Traditionelle Methoden der individuellen Beratung und Entwicklung menschlicher Potenziale treffen auf die KI. Das Zusammenwachsen von Coaching und KI eröffnet nicht nur neue Dimensionen in der personalisierten Unterstützung, sondern lädt zur (wiederholten) Reflexion über die Grenzen und Möglichkeiten des heutigen Coachings ein.

Einleitung

Während es zunächst als Herausforderung erscheinen mag, komplexe menschliche Emotionen und Verhaltensweisen in die binäre Welt von Algorithmen und Datenpunkten zu übersetzen, zeigt die aktuelle Forschung und Praxis[1], dass KI-Werkzeuge das Potential haben, massgeschneiderte Lösungen für den Berater- und Coachingmarkt zu adaptieren. Lösungen, die sowohl die Effizienz als auch die Wirksamkeit von Coaching und Entwicklung steigern können. Gleichzeitig werden die Grenzen sichtbar, die sowohl ethischer als auch praktischer Natur sind. Datenschutz, Autonomie und das individuelle Recht auf menschliche Interaktion stehen im Zentrum der Diskussion. Wieviel Maschine verträgt die menschliche Entwicklung? Wo verläuft die Grenze zwischen unterstützender Technologie und der Depersonalisierung des Coaching-Prozesses? Diese Fragen sind und bleiben essenziell.

In diesem Blogbeitrag soll es zunächst um die Vor- und Nachteile sowie den Mehrwert des Einsatzes von KI im Coaching gehen, um ein umfassendes Bild der Möglichkeiten und Grenzen dieser Technologie im Kontext der persönlichen Entwicklung zu erstellen.

Von den Anfängen der Künstlichen Intelligenz

Auf dem Fundament des traditionellen Coachings basierend, stellt das KI-gestützte Coaching eine Art innovative Symbiose aus menschlichem Expertentum und maschineller Intelligenz dar. Doch was ist KI-gestütztes Coaching im Kern, und welche Komponenten treiben diese synergetische Beziehung an? Um diese Fragen zu beantworten, ist es lohnend, zunächst die Definition und den Aufbau von künstlicher Intelligenz zu begreifen. Einer der Gründungsväter der Künstlichen Intelligenz, McCarthy prägte bereits in den 1950er Jahren den gleichlautenden Begriff als «die Wissenschaft und Technik der Herstellung intelligenter Maschinen, insbesondere intelligenter Computerprogramme».[2] Diese Maschinen simulierten menschliche Intelligenz und sollten Aufgaben erledigen, die normalerweise menschliches Denken erfordern, wie beispielsweise Lernfähigkeit, Urteilsvermögen, Planen und Problemlösung.

Von ELIZA zu Chatbots

Auf dieser theoretischen Basis konnte am MIT schliesslich in den 1960er Jahren ELIZA entwickelt werden. Dieses Programm sollte ein Gespräch mit dem Benutzer in der Art der klientenzentrierten Psychotherapie nach Carl Rogers führen. Der Entwickler von ELIZA, Joseph Weizenbaum, hatte ein Beispiel dafür geschaffen, wie Maschinen für spezialisierte Formen der Kommunikation und Interaktion programmiert werden können. Dieses Thema ist bis heute aktuell: Im Coaching-Kontext werden KI-Systeme so programmiert, dass sie komplexe Muster erkennen und Verhaltensdaten analysieren, um umsetzbare Einsichten zu bieten. Diese können von Algorithmen angetrieben werden, die maschinelles Lernen (Machine Learning) und natürliche Sprachverarbeitung (Natural Language Processing, NLP) nutzen, um sowohl verbale als auch nonverbale Kommunikation zu verstehen und entsprechend zu reagieren. Ein Beispiel dafür ist der Einsatz von Chatbots, die in der Lage sind, die Anliegen der Coachees zu erkennen und vorstrukturierte Ratschläge oder Reflexionsimpulse zu geben.[3]

Datenerhebung und -analyse

Ein weiterer Pfeiler des KI-gestützten Coachings liegt in der Analytik. Durch Datenerhebung und -analyse können Muster in der Persönlichkeitsentwicklung und im Arbeitsverhalten identifiziert werden, die dem Coach helfen, personalisierte Coachingpläne zu erstellen. Doch die Funktionsweise der KI im Coaching beschränkt sich nicht auf reaktive Systeme. Prognostische Datenanalyse bzw. Predictive Analytics kann genutzt werden, um zukünftige Trends und Verhaltensweisen der Coachees vorherzusagen und präventive Massnahmen einzuleiten, bevor potenzielle Herausforderungen sich manifestieren – ein Aspekt, der das Coaching nicht nur reaktiver, sondern auch proaktiver gestaltet. Aktuell wird dieser Aspekt noch sehr zögerlich aufgenommen.

Bei allen Entwicklungen – und Entfernungen vom Bild – der menschlichen Kommunikation ist eine Tatsache offensichtlich: Die menschliche Komponente ist im Coaching unersetzlich. KI-Tools dienen als Ergänzung, um die Effizienz zu steigern und dem Coach mehr Raum für die zwischenmenschliche Interaktion zu geben. Möglicherweise wird es neue Kommunikationsmuster geben, vielleicht auch ein gesteigertes Bewusstsein für menschliche Interaktionen. Das Coaching mit Augmented Reality zeigt bereits, wie KI das menschlich geführte Coaching erweitern kann, anstatt es zu ersetzen.

Vorteile beim Einsatz von KI im Coaching

Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Coaching bringt Vor- und Nachteile mit sich, die je nach den Zielen und Bedürfnissen des Coaching-Prozesses unterschiedlich gewichtet werden. Hier nun die Vorteile:

Datenbasierte Einsichten

KI kann große Mengen an Daten auswerten, um Muster zu erkennen, die im Gegenübersitzen nicht bemerkt oder vom Auge übersehen werden. Eine neue Tiefe der Datenauswertung kann erstens dazu beitragen, personalisierte Coaching-Strategien zu entwickeln, und zweitens ganz neue Perspektiven ermöglichen, von denen wir noch nichts wissen.

Effizienzsteigerung und Zeitersparnis

Automatisierte Prozesse und KI-gestützte Programme können Zeit sparen, indem sie wiederkehrende (auch administrative) Aufgaben übernehmen. Dies eröffnet dem Coach mehr Raum für die eigentliche Coaching-Arbeit. Es können auch eigene Arbeitsmittel erstellt werden, die wiederum neben der Zeiteinsparung auch eine Effizienzsteigerung des Coachingprozesses ermöglichen können.

Skalierung der Angebote

Ein grosser weitreichender Vorteil ist die Skalierbarkeit von Angeboten. KI kann dabei helfen, dass Coaches ihre Angebote einer breiteren Zielgruppe zur Verfügung stellen, ohne dabei die Qualität der Leistungen zu mindern. Ausserdem kann dies durch die Wiederholbarkeit von Prozessen zusätzlich gesteigert werden. Die Exklusivität von Coaching wird damit aufgehoben. Das bedeutet aber nicht, dass diese nicht mehr existiert. Der menschliche Faktor wird zu einer neuen Exklusivität führen.

Klientengewinnung und -bindung

Durch die vielfältigen Möglichkeiten von KI können neue Einkommensquellen erschlossen werden. KI-Anwendungen für Bild-, Text- und Tongenerierungen lassen der Kreativität viel Raum, neue Methoden zu entwickeln bzw. mit den bestehenden Methoden zu kombinieren. Innovative Services können angeboten und auch auf eine neue Klientel ausgerichtet werden. Durch personalisierte und flexible Lösungen entstehen wertvolle nachhaltige Klientenbeziehungen.

Innovationsförderung und individuelles Wachstum

Es ergibt sich durch den Einsatz von KI ein grosser Freiraum für kreative und innovative Arbeitsweisen im Coaching. Es wird wichtig, die eigenen Fähigkeiten kontinuierlich weiterzuentwickeln, nicht nur in Bezug auf den Coachingprozess und Coachingmethoden, sondern auch in Bezug auf den Umgang mit den Entwicklungen im Bereich KI für den Coachingmarkt.

Bias-Reduktion

Ein grosser Vorteil kann die Neutralität der KI gegenüber dem Coachee mitbringen. Die KI bringt keine Voreingenommenheit mit und auch kein Potenzial für Übertragungen. Erste Studien belegen den Zusammenhang zwischen der Bias-Reduktion, d.h. weniger Vorurteile und selektive Wahrnehmung (sog. kognitive Verzerrungen) und dem Einsatz von KI und stellen dies als Vorteil gegenüber dem «menschlichen» Coaching dar.

Kontinuierliches Lernen und Zukunftsfähigkeit

KI-Systeme sind in der Lage, kontinuierlich zu lernen und sich anzupassen. Gleichzeitig sind auch die Coaches in diesem Lernprozess gefordert. Durch diese Kontinuität im Aufbau von Wissen und Adaption können Coaching-Methoden optimiert und stets aktuell bleiben. Zusätzlich erhöht sich die Wirksamkeit, sofern die Feedbackschleifen Teil des Prozesses sind. Das kontinuierliche Lernen ermöglicht Zukunftsfähigkeit – und damit auch Wettbewerbsfähigkeit.

Zugänglichkeit

Wie beim Online-Coaching ist auch beim KI-gestützten Coaching ein grosser Vorteil, dass die entsprechenden Angebote leicht zugänglich gemacht werden können, etwa durch Apps wie GPTs oder Online-Plattformen. Dies ermöglicht es, von überall und zu jeder Zeit Coaching-Angebote wahrzunehmen.

Nachteile beim Einsatz von KI im Coaching:

Fehlende Empathie und Intuition

Trotz grosser und schneller Fortschritte in der KI-Technologie kann die KI weder echte Empathie und Intuition, noch ein tiefes Verständnis für menschliche Emotionen zeigen, welches für einen effektiven Coachingprozess und für zwischenmenschliche Interaktionen wesentlich ist.

Daten- und Privatsphärenbedenken

Der Umgang mit sensiblen personenbezogenen Daten erfordert ein hohes Mass an Sicherheit und ethischen Überlegungen, um Datenschutz und Vertraulichkeit jederzeit sicherzustellen.

Übermässige Abhängigkeit von Technologie

Es besteht durchaus die Gefahr, dass Coaches zu stark von KI-Systemen abhängen können und dabei grundlegende menschliche Intuition und Einsicht vernachlässigen.

Fehlendes menschliches Urteilsvermögen

KI kann Muster erkennen und Vorschläge bringen, aber sie ist nicht in der Lage, menschliches Urteilsvermögen und Erfahrungswissen vollständig zu ersetzen.

Kosten und Zugänglichkeit

Auch wenn KI-Tools potenziell kostensparend sind, können Anschaffungs- und Implementierungskosten, ggfs. auch Lizenzkosten sowie die Notwendigkeit technischer Expertise zu Beginn eine Hürde darstellen.

Es ist selbstverständlich, dass der Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Coaching sorgfältig überlegt werden muss. Dabei geht es weniger um das OB als vielmehr um das WIE. Die Vorteile sollten gegen potenzielle ethische und praktische Nachteile abgewogen werden. Ein ausgewogenes Vorgehen, das sowohl moderne Technologien als auch den unersetzlichen menschlichen Beitrag einbezieht, scheint der Schlüssel für erfolgreiche Coaching-Prozesse in der Zukunft zu sein. Und diese werden Formen annehmen, die wir heute noch nicht kennen.

Der Mehrwert von KI für Coaches und Klienten

Der Mehrwert von KI für Coaches und Klienten ist vielschichtig und revolutioniert die Effektivität und Reichweite des traditionellen Coachings.

Angebote differenzieren & Zeitersparnis

Für Coaches bietet die Integration von KI-Tools die Möglichkeit, das eigene Angebot zu differenzieren und praktische sowie zeitliche Herausforderungen zu meistern. KI kann wie oben beschrieben repetitive, administrative Aufgaben automatisieren. Das verschafft dem Coach mehr Zeit, um sich auf die individuelle Betreuung ihrer Klienten zu konzentrieren. Hier kann auch der Einsatz von KI-gestützten Planungssystemen, die die Terminfindung und -koordination vereinfachen und so ein effizienteres Zeitmanagement ermöglichen, genannt werden.

Personalisiertes Coaching & KI-Diagnostik

Für Klienten liegt der Mehrwert in der Zugänglichkeit und Personalisierung des Coaching-Erlebnisses. KI-basierte Plattformen können Daten aus vergangenen Sitzungen analysieren und Muster erkennen, um massgeschneiderte Inhalte und Ressourcen zu empfehlen, die genau auf die individuellen Entwicklungsziele des Klienten zugeschnitten sind. Darüber hinaus können KI-gestützte Diagnosetools dabei helfen, Persönlichkeitsmerkmale und Kompetenzen zu bewerten, wodurch sowohl Coach als auch Klient ein tieferes Verständnis der Ausgangsbasis erlangen. Anhand von Textanalyse lassen sich nicht nur Kategorien, Klassifikationen, Schlüsselwörter extrahieren, sondern auch Stimmungen, Emotion und Beziehungen.[4]

Erfolgsmessung, Fortschrittsüberwachung, Vorhersagen

Die Fähigkeit von KI, grosse Datenmengen zu analysieren, eröffnet auch neue Perspektiven in Bezug auf die Überwachung des Fortschritts und die Messung der Coaching-Ergebnisse. Dies geschieht durch fortlaufende Erfassung und Auswertung der Interaktionen und Fortschritte des Klienten, was eine evidenzbasierte und zielgerichtete Betreuung fördert. Die Anwendung von KI zur Vorhersage von zukünftigen Entwicklungen basierend auf bestehenden Trends kann Klienten dabei unterstützen, proaktiv auf bevorstehende berufliche oder persönliche Veränderungen zu reagieren.

Selbständigkeit und Autonomie

Ein weiterer signifikanter Mehrwert ist die Erhöhung der Selbstständigkeit der Klienten durch den jederzeit möglichen Zugriff auf KI-gestützte Coaching-Plattformen. Dadurch können Klienten ausserhalb der direkten Sitzungen an ihren Zielen arbeiten, was ein Gefühl der Autonomie und Verantwortlichkeit fördert und das Coaching nicht nur als situatives Ereignis, sondern als kontinuierlichen Prozess etabliert. Beispiele solcher Selbstcoaching-Tools finden sich in mobilen Apps, die Verhaltensänderung durch kognitives Training unterstützen, wie zum Beispiel Happify oder Headspace, die auf Prinzipien der positiven Psychologie und Achtsamkeit basieren.

Zugang und Skalierbarkeit

Abschliessend sei nochmals die unter Vorteilen aufgelistete Skalierbarkeit des Coachings als ein Mehrwert genannt. KI verbessert auch die Zugänglichkeit von Coaching. Indem KI-Plattformen mehr Menschen Zugang zu personalisierten Coaching-Tools bieten, die bisher einem kleineren Kreis vorbehalten waren, wird Coaching zu einer inklusiveren und demokratischeren Ressource in der Personalentwicklung.

Indem Künstliche Intelligenz die Coaching-Landschaft prägen wird, entstehen neue Möglichkeiten der Begleitung, Unterstützung und persönlichen Entwicklung, die es Coaches und Klienten erlauben, über traditionelle Grenzen hinauszugehen und das volle Potential eines jeden Einzelnen auszuschöpfen.

Im zweiten Teil «KI im Coaching» geht es um die wichtigen Aspekte Ethik und Datenschutz.

Februar 2024

[1] Beispielsweise KI im Gesundheitsbereich wie der Chatbot «Ada». Bratan, Tanja: Künstliche Intelligenz im Gesundheitsbereich: Ein Überblick. Fraunhofer ISI, 2023. Abgerufen am 08.03.2024: https://www.isi.fraunhofer.de/de/blog/2023/kuenstliche-intelligenz-im-gesundheitsbereich.html

[2] McCarthy, John; Minsky, Marvin L.; Rochester, Nathaniel & Shannon, Claude E.: A Proposal for the Dartmouth Summer Research Project on Artificial Intelligence, 1955. Abgerufen am 08.03.2024: http://jmc.stanford.edu/articles/dartmouth/dartmouth.pdf

[3] Lömker, Malte; Weber, Ulrike; Moskaliuk, Johannes: Chatbots im Coaching: Chancen im lösungs-fokussierten Coaching. Wiesbaden: Springer Fachmedien, 2021

[4] Beispielsweise bietet IBM mit Watson Natural Language Understanding eine auf Deep Learning basierende Plattform, welche aus unstrukturierten Textdaten Bedeutungen und Metadaten herausfiltern kann. Abgerufen 08.03.2024: https://www.ibm.com/products/natural-language-understanding

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